Astrid B. war obdachlos, als sie den Weg ins Netz fand. Auf der Straße war sie ein Niemand, dem Internet war ihre Wohnungslosigkeit egal, es bot Anerkennung und Hilfe. Wohin geht ein Mensch, wenn er kein Zuhause mehr hat? Astrid B. entschied sich an diesem Tag im Jahr 2009 für ein Internetcafé schräg gegenüber vom Bahnhof Zoo in Berlin. Eine Stunde Surfen, ein Euro. So viel Geld hatte sie gerade noch. Die heute 49-Jährige trug die Tüte mit ihrem kompletten Besitz in den Laden und setzte sich vor einen Bildschirm.Vielleicht hatte ja die große Suchmaschine eine Antwort auf die Frage, wohin Astrid B. gehen könnte. "Obdachlose Frauen in Berlin" tippte sie auf der Tastatur ein. Und der Suchalgorithmus lieferte. Die Adresse der Bahnhofsmission, Kontaktdaten von Notunterkünften. Google Maps wies ihr den Weg, weg vom Bahnhof Zoo.Das Internet, das ihr am ersten Tag in der Obdachlosigkeit geholfen hat, es sollte sich für Astrid B. auch in den kommenden Monaten auf der Straße als wichtig erweisen. Bis dahin hatte sie Computer nur für Videospiele benutzt, Surfen war nichts für sie. Während ihrer Zeit auf der Straße entdeckte Astrid B., was das Internet alles kann. Es tat sich ihr ein Raum auf, der ein Gefühl von Heimat gab. Im Internet bekam sie das Gefühl, von anderen gebraucht zu werden, nicht wertlos zu sein. Es wurde ihr Fluchtpunkt, wenn der Alltag der Obdachlosigkeit sie lähmte.
Ungarns Obdachlose sollen aus den Städten verschwinden: Wer in bestimmten Gebieten schläft, kann jetzt bestraft werden. Obdachlose werden so stigmatisiert.Es war eigentlich schon seit März bekannt: Obdachlosigkeit kann in Ungarn künftig kriminalisiert werden. So schrieb es das ungarische Parlament seinerzeit in die Staatsverfassung. Am Montag nun hat es ein Gesetz verabschiedet, das genau festlegt, welche Strafen Obdachlosen drohen, wenn sie auf öffentlichen Plätzen übernachten. Damit prescht Ungarn mal wieder voran in Europa, denn Obdachlosigkeit wird in keinem EU-Staat derart bestraft.In Budapest liegen sie in Hauseingängen, auf Parkbänken, an U-Bahnstationen. Es ist unübersehbar, dass vor allem in den Städten Ungarns zu viele Menschen auf der Straße leben, 30.000-35.000 sind es nach Schätzungen der UN. Ab dem 1. Oktober können Gemeinden Verbotszonen ausweisen, in denen sich Obdachlose nicht mehr aufhalten dürfen. Das wird vor allem die Innenstädte betreffen. Wer dann trotzdem auf der Straße schläft, wird nach dem neuen Gesetz zum Arbeitsdienst verpflichtet. Wer sich dem verweigert, muss eine Strafe zahlen. Wovon, das sagt das Gesetz nicht. Wenn jemand seine Strafe nicht zahlt, kommt er üblicherweise in Haft – dies ist dann auch für die Obdachlosen zu vermuten.
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"Mich bewegt es sehr, wenn ich Menschen sehe, die kein Zuhause haben, gerade wenn es jetzt wieder kälter wird. Wie kann man als Christ eigentlich helfen?"
Mir geht es wie Ihnen. Es beschäftigt mich sehr, dass ich in einer Stadt lebe, in der die Zahl der Wohnungslosen, so sagen Fachleute, zunimmt und weiter zunehmen wird. Sie stehen an Kirchen, vor Geschäften, am Bahnhof oder suchen nach Pfandflaschen in Containern oder Mülleimern an Haltestellen. Manchmal kaufe ich ihnen eine Zeitschrift ab oder gebe 50 Cent. Aber das ist eher eine persönliche Entscheidung und hat mit dem jeweiligen Eindruck zu tun. Wichtiger sind andere Hilfen.
Der Vermieter kündigt dem Strassenfeger-Verein die Räume. Dort gibt es nicht nur die Straßenzeitung, sondern auch die einzige Notunterkunft für Obdachlose im Bezirk Pankow.Den „strassenfeger“ kennt in Berlin fast jeder, der regelmäßig die öffentlichen Verkehrsmittel nutzt. Die Zeitung wird in S- und U-Bahnen von Obdachlosen verkauft. Herausgegeben wird sie von dem Verein mob – obdachlose machen mobil e. V., der seinen Sitz seit über zehn Jahren in der Prenzlauer Allee 87 hat, gleich gegenüber dem S-Bahnhof, gut erreichbar für seine Kundschaft.In den Vereinsräumen können nicht nur die die über 1600 registrierten Verkäufer die Zeitung abholen. Dort gibt es auch die einzige Notunterkunft für Obdachlose im Bezirk Pankow, ein Café und einen Trödelladen, wo Bedürftige für wenig Geld eine Nacht verbringen, Essen und Alltagsutensilien kaufen können. Noch. Denn der Vermieter hat die Räume gekündigt.„Die Wohnungssituation hat sich im Laufe der letzten Jahre im Prenzlauer Berg so verändert, dass es uns nicht mehr möglich ist, ein Projekt Ihrer Art in unserem Objekt zu halten“, steht in dem Ende Juni zugestellten Kündigungsschreiben. Der Verein hat dagegen Widerspruch eingelegt, schätzt die Chancen auf Erfolg aber selbst nicht sonderlich hoch ein.„Das ist ein Treppenwitz“, sagt Andreas Düllick, Chefredakteur des „strassenfeger“ und Mitglied im Vereinsvorstand. „Mob e. V. ist von Obdachlosigkeit bedroht. Absurd.“ Für viele Wohnungslose seien die Vereinsräume in der Prenzlauer Allee mit dem Kaffee Bankrott zu ihrem Wohnzimmer geworden, zum sozialen Treffpunkt. Und sie sind auch einer der wenigen Orte in Berlin, an denen man, wenn es nötig ist, spontan unterkommen kann, für 1,50 Euro die Nacht. Es gibt zehn Schlafplätze für Frauen und sieben für Männer.