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Für Wohnungslose und von Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen

Fasching im Heim Teil III - Bernd

Bernd war mein Zimmernachbar.

Als ich eines Abends "nach hause" kam, sprach mich der Wachmann an ob ich wüßte wem die Katze gehöre. "Katze?", fragte ich. Und da sah ich sie schon. Eine wunderschöne Blauperser Katze, die verängstigt hinter dem Wachmann Tresen kauerte."Die wird sich wohl verlaufen haben", sagte ich.

Doch in diesem Moment trat Bernd in den Eingangsbereich. In der Hand einen Kasten Bier, was den Wachmann wieder mal nicht im Geringsten interessierte. "Muschi, was machst du denn hier?", lallte er mehr in den Raum als zu der Katze gewand. "Dann ist das also Ihre?", fragte ihn der Wachmann. "Ja klar, die muss wohl vorhin mit raus gehuscht sein".
Mal davon abgesehen eine Katze "Muschi" zu nennen, dazu noch ein so edles Tier, war die Tatsache, dass er sie in seinem 8 Quadratmeter großen Heimzimmer hielt, für mich fast unfassbar.

"Kannst de mir mal eben helfen?", fragte er mich.

"Ick bin 337, jenau neben dir".

Bernd machte immer den Eindruck sturzbetrunken zu sein, selbst wenn er keinen Schluck Alkohol getrunken hatte, was sich natürlich an diesem Abend noch ändern sollte, wie unschwer an dem Kasten Bier zu erkennen war.

Ich sah ihn ungläubig an. "Du hast hier ´ne Katze?!", ich konnte meine Fassungslosigkeit und meine Entrüstung nicht verbergen. "Ick meine du hast ernsthaft hier ne Katze?!" "Ja logisch, dit iss meine Muschi": Der Wachmann konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, wobei ich in dem Moment nicht wußte ob es die "Muschi" war, oder einfach Bernds Erscheinung. Er bewegte seine Hand vor dem Kopf, um mir zu signalisieren, daß Bernd wohl ein altbekannter Vollirrer war.


"Ja"sagte ich, "soll ich das Bier oder die Katze nehmen?"

"Nimm ma dit Bier", sagte Bernd, was mich nicht besonders erfreute, denn einen Kasten Bier in den dritten Stock zu schleppen, durch alle Glastüren durch und mit dem ununterbrochenen Gesabbel von Bernd im Ohr, zählte nun wahrlich nicht zu meinen Lieblingsbeschäftigungen.

Oben angekommen kam noch das dazu, wofor ich mich ein wenig fürchtete.

"Komm rin!", sagte Bernd und schob mich weiter in sein Zimmer, welches natürlich die gleiche Größe wie meines hatte, also ich auf dem Stuhl am Tisch und Bernd auf dem Bett Platz nahm.

"Ich muss noch..." wolllte ich mein Gehen einleiten.

"Nimm dir´n Bier", sagte Bernd und sah mich dabei an, als wäre eine Weigerung meinerseits ein Grund mich in Grund und Boden zu prügeln.

" Hier, willste wat essen, iss allet da. Da kiek ma in den Schrank".

"Nee, danke", versuchte ich mich aus der Situation zu winden.

"Kiek in den Schrank hab ick jesacht, los mach uff, iss allet da. Brauchst wat?"

Der Schrank war voll mit Konservendosen der verschiendensten Sorten. "Ja, hast ja allet da", sagte ich und suchte nach Worten um mich zu verabschieden. Er machte zwei Bier auf, mit einem Feuerzeug, reichte mir eins und hielt mir auch gleich eine Schachtel Zigaretten hin.

"Hier rauch ma eene, iss allet da" wiederholte er sich. In dem Moment schossen ihm Tränen in die Augen, sein Blick wurde aggressiv.

"Ick hab doch sonst nix mehr. Mein Bruder, der hat allet jeschafft im Leben, aber icke...? Ick war mal Boxer weeßte, ick bin ooch echt janz schön stark": Dabei nahm er meine Hand und versuchte mit aller Kraft zu zu drücken. Na ja, dachte ich, so dolle iss dit jetzt nich. Dabei sah ich ihm in die Augen und versuchte so teilnahmslos wie möglich zu schauen.

"Glob ick dir", sagte ich und entwand mich seinem Griff..

"Hier sind alle irre, aber du bist in Ordnung", sagte Bernd und irgendwie war es etwas wie ein Dejavu zur Waschküche.

Wieder reichte er mir die Hand und versuchte noch doller zu drücken. Er erwartete irgendein Zeichen von mir, die ihm bestätigte, das er doch noch ganz stark ist, aber ich lächelte ihn  nur an und sagte, leider:

"Du kannst so doll drücken wie du willst mein Lieber, deine ganze Kraft kann gegen mein Chi nichts tun".

Sein Blick wurde ernst. Er funkelte mit den Augen, was mir wohl Angst machen sollte. Doch ich konnte ihn einfach nicht wirklich ernst nehmen.

"Die Katze versteckt sich, das macht sie sonst nicht", sagte er mit immer böserem Blick. "Das muss an dir liegen!"

So langsam sah ich die Situation entgleiten und obwohl er mich aufforderte doch noch ein Bier zu nehmen, versuchte ich meinen Abschied einzuleiten.

Wieder reichte er mir die Hand um nochmals mit aller Kraft zu zu drücken. Diesmal zog ich sie gleich weg und das machte ihn nun wirklich böse.

"Die Katze hat Angst vor dir!" Dabei sah er mich an als würde er jeden Moment auf mich losgehen wollen. Ich schätzte meine Möglichkeiten ab an ihm vorbei aus dem Zimmer zu kommen und stellte fest, daß ich ziemlich in der Falle saß.

Ich besann mich auf meine Berufserfahrung als Sozialpädagoge und versuchte die Lage mit ruhigen Worten wieder zu entsschärfen. Doch es war zu spät.

Er sprang auf, ging in eine für Boxer typische Haltung und schrie: "Die Katze hat Angst vor dir, soll ick dir eine rein hauen oder was?"

Oliver Wellmann 2009
Wellmann eXtremkabarett-blog
www.oliver-wellmann.de

Wir danken Oliver für die Genehmigung zur Veröffentlichung