Noch fehlt es in einigen Räumen an Mobiliar. Auch das farbenfrohe Gemälde, das die lange Wand im Flur ziert, bedarf noch einiger Pinselstriche. Schon in gut zwei Wochen sollen in der neuen medizinischen Ambulanz für sozial benachteiligte Menschen im Gebäude F der Zitadelle die ersten Patienten ein- und ausgehen.Zunächst wird der Mainzer Verein Armut und Gesundheit in Deutschland dienstags für einige Stunden eine allgemeinmedizinische, internistische Sprechstunde anbieten, wie Dr. Gerhard Trabert, Armenarzt und Initiator des Projekts, gestern erläuterte. Im Laufe des Jahres soll das Angebot schrittweise um weitere Disziplinen ausgebaut werden.Rund 14 Ärzte verschiedener Fachrichtungen hat der Verein schon für das ehrenamtliche Engagement im ersten Stock des Gebäudes gewonnen – angefangen von Gynäkologen über Zahnärzte bis hin zu Psychotherapeuten. Fünf Behandlungsräume, Wartezimmer, Medikamentenlager und Gesprächsräume stehen zur Verfügung. Die Ausstattung und die medizinischen Geräte für die kostenlose Behandlung haben Spenden von Kliniken, Ärzten und Firmen ermöglicht. „Auch die potenziellen Patienten haben bei der Renovierung der Räume, die der Pfarrer-Landvogt-Hilfe gehören, kräftig mit angefasst“, sagte Trabert.Die Patienten – das sind in erster Linie nicht krankenversicherte Obdachlose und Armutsflüchtlinge aus Osteuropa. „Wir setzen bewusst einen Akzent angesichts der kontroversen Debatte über Sinti und Roma“, so der Mediziner. Ein Lücke klaffe auch bei entlassenen Häftlingen, die wochenlang auf ihre Gesundheitskarte warten müssten. Und: Die Armut dringt inzwischen tief in den Mittelstand vor. „Uns bitten insolvente Kleinunternehmer um Hilfe, die ihre Kassenbeiträge nicht mehr bezahlen können.
Ungarns Rechtskonservative wollen Obdachlosen in Asyle zwangseinweisen und so vor Kälte schützen. Kritiker nennen das Heuchelei.An Pathos mangelt es auf beiden Seiten nicht. „Wir sind Menschen“, steht auf den Transparenten einer Organisation mit dem Namen „Die Stadt gehört allen“. Ihre Mitglieder demonstrieren gegen das, was sie Kriminalisierung der Armut nennen. Mit einer Verfassungsänderung vor zwei Wochen hat Ungarns rechte Parlamentsmehrheit das „Wohnen im Freien“ – und damit die Obdachlosigkeit – wieder unter Strafe gestellt. Das Gesetz sei Teil seines „Kampfes gegen die Kälte“ behauptet ebenso pathetisch Regierungschef Viktor Orban. Das soll heißen: Die Wohnungslosen sollen in die Notasyle gehen. Dort will nämlich ein Teil von ihnen partout nicht hin. Und da wird der Staat aktiv und zwingt sie quasi zu ihrem Glück.In Ungarn sind unter der rechtskonservativen Regierung von Premierminister Orban einige Gesetze verabschiedet worden, die nicht nur international sondern auch im Land heftigen Streit und Unmut ausgelöst haben. Doch kein Gesetz legt die ideologischen Trennlinie so klar offen und spaltet die Gesellschaft, wie das Verbot des Wohnens im Freien. In keiner anderen Frage können sich die Anhänger der rechten Fidesz-Partei so wirksam – nach Ansicht ihrer Kritiker: scheinheilig – als „mitfühlende Konservative“ von ihrem Lieblingsgegner, den „kaltherzigen Liberalen“, absetzen.Obdachlose sind in Budapest allgegenwärtig. Die Geschäfte im Zentrum verschließen ihre Eingänge abends mit Scherengittern gegen den Bürgersteig, damit dort niemand im Schlafsack oder mit Pappen und alten Zeitungen zugedeckt und von seinen paar Habseligkeiten umgeben kampiert. Morgens schleichen Leute mit diesen Pappen und Zeitungsstapeln unter dem Arm durch die Stadt. Niemand weiß, wo sie geschlafen haben. In einer besonders kalten Nacht vor einigen Jahren wurden in Budapest rund 3 000 Obdachlose gezählt, die draußen kampierten.Um die 70 bis 80 Kältetote hat die Stadt in jedem der letzten Jahre verzeichnet, von denen allerdings nicht alle obdachlos waren. Etwa die Hälfte der Budapester Obdachlosen kommt nach einer Untersuchung aus dem ländlichen, verarmten Osten des Landes. Sie sind im Durchschnitt 46 Jahre alt. Jeder fünfte ist zwischen 18 und 25. Ein Viertel sind angeblich Roma.